Die Eingemeindung nach Bayreuth (1939)

GESCHENKE UND VERSPRECHUNGEN - UND DRUCK


Aus Dörfern wurden Stadtteile - Zusagen in den Verträgen -  Zuchtbulle als städtische Morgengabe - Widerstand gegen die Eingemeindungen

St. Johannis ca. 1939 > historische Ansichtskarten



Text aus dem Amtsblatt der Stadt Bayreuth (Sonderdruck vom 1. April 1989 zum 50jährigen Jubiläum der Eingemeindungen von 1939). Mit freundlicher Genehmigung des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Stadtkommunikation der Stadt Bayreuth.


"Nie mehr werde Bayreuth in die Rolle eines kleinen geruhsamen Provinzstädtchens zurücksinken", mit dieser überschwänglichen Feststellung begrüßte Oberbürgermeister Dr. Kempfler 1939 die von ihm mit aller Vehemenz betriebenen Eingemeindungen. ...

 

In einigen der eingemeindeten Teile war die Bebauung der Stadt Bayreuth längst in das Gebiet von Nachbargemeinden hineingewachsen, so dass Institutionen des städtischen Lebens auf Grundstücken lagen, die zu Cottenbach, Crottendorf oder Bindlach gehörten. Dies war beim Schießhaus St. Georgen, bei dem damals "Gesundheitsburg" genannten Krankenhaus an der Hohen Warte und sogar bei der Bürgerreuth der Fall.

 

Auf der anderen Seite wurden 1939 auch Ortschaften der Stadt einverleibt, die ihr ländliches Erscheinungsbild bewahrt hatten, so Colmdorf, St. Johannis und Meyernberg. Drei Adelssitze, deren Geschichte sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt, bildeten hier die Zentren, um die herum sich Handwerker- und Bauernhäuser gruppiert hatten. Nur in St. Johannis hatte sich die Bevölkerungsstruktur im 20. Jahrhundert durchgreifend verändert: diese Gemeinde war nun überwiegend von Arbeitern bewohnt, die als Pendler in Bayreuth ihrer Beschäftigung nachgingen. Zwischen den Bebauungsgrenzen von Bayreuth und St. Johannis sowie von Bayreuth und Meyernberg lagen bei der Eingemeindung weite unbebaute Flächen, die landwirtschaftlich genutzt waren.

 

In den Eingemeindungsverträgen übernahm es die Stadt, verschiedene Einrichtungen zum Wohle der neu dazugewonnenen Ortsteile zu finanzieren. So sollte St. Johannis, das mit 1048 Personen die meisten neuen Bewohner einbrachte: eine AußensteIle der Stadtverwaltung, ein neues Schulhaus und eine Omnibusverbindung bekommen, letzteres sicher eine große Erleichterung für die dortige Arbeiterbevölkerung. Den Meyernbergern wurde eine Straßenbeleuchtung, den Colmdorfern ein öffentlicher Fernsprecher zugesichert. Außerdem verpflichtete sich die Stadt Bayreuth allen drei Gemeinden gegenüber zur Bereitstellung eines Zuchtbullen. Drei Vertreter der eingemeindeten Ortschaften wurden für die gerade laufende Amtszeit auf unbesetzte Stellen im Stadtrat übernommen.

 

Anlässlich der Eingemeindungen fanden am 1. April 1939 ein Festakt im Balkonsaal und die Enthüllung eines neuen Grenzsteines bei Meyernberg statt. Dieser war ein Säulenstumpf an der Abzweigung nach Donndorf und Geigenreuth. Er wurde nach 1945 abgeschabt und steht mit neuer Inschrift noch heute an seiner Stelle.

 

Oberbürgermeister Dr. Kempfler äußerte sich über die Gebietsreform: "Ich habe von Anfang an eine Erweiterung des Stadtgebietes angestrebt, nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, Industrie ansiedeln zu können ... Es handelte sich dabei nicht um eine Zwangseingemeindung. Die Gebiete wurden vielmehr nach langen Verhandlungen, die in Verträgen ihren Abschluss fanden, freiwillig eingemeindet." Ganz anders stellte sich der Vorgang nach 1945 aus der Sicht des früheren Landrates Dr. Schwarz dar: "Das Landratsamt wurde bei der Eingemeindung überhaupt nicht gefragt, sondern der damalige Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth hat an den Gauleiter Wächtler und dieser an den Reichsstatthalter Ritter von Epp und dieser an den Herrn Reichsminister des Innern die Eingemeindung ... vorgelegt. Das Reichsministerium des Innern verfügte mit einem Federstrich die Eingemeindung ... "

 

Ein kurzes Nachspiel gab es im Jahre 1947. In Colmdorf und St. Johannis waren Stimmen laut geworden, die eine Wiederausgemeindung forderten und sich damit an das bayerische Innenministerium wandten. In Leserbriefen und Stadtratsdebatten fielen auf beiden Seiten scharfe Worte. Bei einer Umfrage stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der Bewohner von St. Johannis den Verbleib bei Bayreuth befürwortete. Die Auseinandersetzungen fanden ein schnelles Ende, als das Innenministerium am 19. Oktober 1948 die Ausgemeindungen ablehnte. S. H.